The Ritual

The Ritual

1.

Kelly

 

Ich zog meinen Mantel von einem der Dummies, die auf dem Hof standen und wickelte mich darin ein. Mir war nicht kalt, dafür war das Training zu hart gewesen, aber ich wollte keinen Verdacht erwecken. Dass ich nicht krank werden konnte, musste ich nicht an die große Glocke hängen.
Langsam ging die Sonne über dem Tal unter und tauchte den Hof in ein kaltes, goldenes Licht. Die traditionellen Feuerschalen spendeten Wärme und verhinderten, dass sich Frost über Nacht ansetzen konnte. Ich vermutete, dass ich die in weiß getauchte Szenerie mehr genossen hätte.
Doc nickte mir über eine der Feuerschalen hinweg zu
Ich wusste nicht, ob er dankbar war, dass ich ihn nicht übermäßig verletzt hatte, oder ob er einfach ein gutes Training würdigte.
Vielleicht lobte er auch einfach von Weitem meinen gesunden Menschenverstand.
„Euch geht’s gut?“, rief Ludwig uns zu. Ich hielt grinsend meinen Daumen nach oben und Doc nickte müde, seine grauen Haare standen in alle Richtungen ab. Isaac jonglierte weiterhin mit seinen Messern. Ihn schien das alles nicht so mitzunehmen, wie man meinen würde. Allerdings war er auch schon eine ganze Weile dabei.
Was die Geschichte hinter uns war?
Isaac hatte ich ewig nicht mehr in der Burg gesehen, was daran lag, dass er in einem der mobilen Teams eingesetzt war. Nach seinem letzten Einsatz kam er allein mit einem Totalschaden des Autos zurück. Ich hätte jetzt anfangen können, zu beschreiben, was dem Auto fehlte oder was zerstört war, aber schwieriger war es, drei Dinge aufzuzählen, die die Burg noch heil erreicht hatten.
Fun Fact: Das Lenkrad gehörte nicht dazu.
Wochenlang hatte man ihn nicht mehr auf dem Gelände der Burg gesehen. Was mit seinem Team passiert war, wusste immer noch niemand. Er redete allgemein nicht viel und noch weniger darüber.
Doc war in meinen Augen eigentlich schon zu alt für die Rolle als Jäger. Der Grund, warum er sich mit seinen dreiundfünfzig Jahren in der Ausbildung befand, war ich.
Bis vor einiger Zeit war ich noch im Pub der Burg angestellt. Der Pub wurde in der großen Ressourcenknappheit geschlossen und ich brauchte einen neuen Job innerhalb der Burg. Ich schloss mich erst einmal vorübergehend den Jägerinnen und Jägern an, merkte aber recht schnell, dass ich da nicht schlecht drin war. Deswegen konnte mir auch die Infektion keinen Strich durch die Rechnung machen.
Medizinisch gesehen fehlte mir nichts, also saß ich wenig später bei Dr. Xavier Windsor auf einem Stuhl in den bis dato für mich verbotenen Räumlichkeiten vom „Research and Development“. Doc hatte einige Geräte um mich herum platziert, mir denen er mich nacheinander untersuchte.
Was er nicht wusste: Mir fehlte Energie.
Was ich nicht wusste: Ich konnte ihm diese entziehen. Wenig später zapfte ich also seine Lebensenergie an, er schoss mit einer experimentellen Waffe auf mich, Isaac hörte den Tumult und schoss mit einer richtigen Waffe auf mich. So hatten wir drei herausgefunden, dass ich ein Geist war.
So waren wir ein Team geworden – indem beide auf mich geschossen hatten.
Doc hatte die Ausbildung begonnen, um mich und meine Kondition im Blick zu behalten, Isaac war unserem Team beigetreten, weil … ich wusste es nicht, um ehrlich zu sein. Vielleicht brauchte er einfach wieder ein Team. Aber keiner von beiden hatte mich nach dem Vorfall verpetzt, also war es naheliegend für mich, dass ich ihnen vertrauen konnte.
Fürs Erste.